Sonntag, 31. Januar 2010

Und. Jetzt?

Gut drei Wochen nachdem ich das Grab des von Guthers abgestorbenem Körper besuchte träumte mir:
ich ging, leicht bergab, in der Nähe meiner alten Schule an einer etwas höher gelegenen Sommerwiese vorbei, auf der eine große Gruppe junger Männer stand. Alle mit freier Brust. Sie wurden von einem Mann angeleitet/unterrichtet der vor ihnen stand, meinem Weg den Rücken zuwendend. Alle waren ganz bei der Sache. Etwa in der zweiten Reihe stand Gunther. Der junge blonde Mann neben ihm hatte mich bemerkt und machte Gunther kurz auf mich aufmerksam (sinngemäß etwa so: "sieh, ist das nicht der, der auf der Erde plötzlich mehr Leute auf dich aufmerksam macht?"). Gunther blickte, mich erkennend, nur für einen ganz kurzen Augenblick an. In dem, wie er sich sofort wieder voll konzentriert dem Unterichter zuwandte, lag etwas das mir blitzartig klarmachte: es ist jetzt besser ihn keinen halben Augenblick zusätzlich abzulenken. Augenblicklich legte ich betont deutlich einen Schritt zu. Auch um still zu sagen: keine halbe Sekunde länger störe ich hier. Dann erwachte ich.

Der Traum hinterließ in mir die Grundaussage, dass es vielleicht gar nicht in Gunthers Sinn ist hier auf der Erde die Aufmerksamkeit auf seine Person und insbesondere auf sein Vergangenes zu verstärken. Er geht weiter seinen Weg. Er lernt und es ist ihm existentiell wichtig.

Da dieser Blog schätzungsweise eh nur von einer handvoll Menschen gelesen werden wird, soll trotzdem zumindest der in Büchern veröffentlichte Brief von Christine Brückner auch hier zu lesen sein. Und aus den autobiographischen Texten, die Gunther als Jugendlicher schrieb, suchte ich unter der Frage: "Was könnte länger Gültigkeit haben als nur für damals?"

Aus seinem kleinen Text "Biographie" erscheinen mir folgende Worte heute eine neue bzw. erweiterte Gültigkeit zu haben (ich persönlich bin der Überzeugung, dass zwar längst sein iridscher Körper, aber nicht Seele und Geist tot sind):

"In die Schule! Sie war so weit entfernt."
"Doch lernen wollt ich, wills noch immer."
"Nichts ist unmöglich.
Fortsetzung folgt."


Auf die Fortzetzung freue ich mich. Aber nun erst mal den ganzen Text in dem ´zwischen den Zeilen` noch weitere, zartere Anklänge an sein Jetzt im Nirgendwo zu erahnen sind:



B i o g r a p h i e
Geboren dort, wo Fuchs und Hase
Gute Nacht ! einander sagen, wo
Der Hund begraben liegt und ungefragt.
Vier Brüder und kaum Brot. Wie Mutter es
Dennoch schaffte, weiß ich nicht.
Bald zogen wir fort in die nahe
Stadt: ein neus Haus, so fein verputzt.
Wie schnell vergingen dort die
Sommer! - In die Schule!
Sie war so weit entfernt.
"Er hat so kleine Beinchen!"
Doch lernen wollt ich, wills noch immer.
Schnell hatte ich auch meine Freunde,
Die mir den Abschied bald erschwerten
Als es wieder hieß: Wir ziehen um!
Dort bin ich dann geblieben,
Hab viel gelernt und viel vergessen,
Lernte Menschen kennen und Gewalten.
Erfuhr, daß Menschen Menschen jagen,
Den andern unterdrücken, töten.
Sah, wie Menschen Menschen lieben,
Dem andern helfen, ihn beschützen.
Ich schlug mich klar auf eine Seite,
Gewaltlos kämpfend wider die Gewalt.
Nichts ist unmöglich.

Forsetzung folgt.
g.t.

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